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Der 30. Januar

Germana


Der 30. Januar

30. Januar 1942

Die Regierung Brüning kommt zu Fall, das scheinbar letzte Hindernis für die Machtübernahme durch die NSDAP, ist damit beseitigt. Am 31. Juli 1932 tritt das deutsche Volk an die Wahlurne und schickt die nationalsozialistische Bewegung mit 230 Mandaten ins Parlament. Eine solche Anzahl von Abgeordneten einer einzigen Partei hat der Deutsche Reichstag bisher noch nicht gesehen. es) fehlt ihr nicht allzuviel an der absoluten Mehrheit. In einem wahren Blitzwahlfeldzug hat die Hitlerbewegung ihre Feinde im Lande niedergeworfen. Übrig geblieben ist als ernsthafter Kon­kurrent um die Macht nur noch der Kommunismus. Alle poli­tischen Experten im In- und Ausland sind sich darüber einig, daß die Machtübernahme durch Hitler nur noch eine Frage von Tagen sein kann. Deutschland ist reif zum Umsturz.



Da geschieht das Unfaßliche: Als der Führer am 13. August die ihm geschichtlich, verfassungsmäßig und auch moralisch zu­stehende Kanzlerschaft in Empfang nehmen will, wird ihm diese auf Betreiben einer kleinen reaktionären Clique verweigert. Den Blitzsiegen der Bewegung ist ein jähes Ende gesetzt und sie aus der unentwegt vorgetragenen Offensive in die Defensive gedrängt. Das Gesetz ihres Vorgehens und Handelns erleidet damit eine voll­kommene Veränderung. Eine Partei, die nur vom Angriff zu leben schien, ist zu einer Reihe sehr harter, psychologisch außerordentlich schwerer Verteidigungskämpfe verurteilt. Das parlamentarisch bestimmte Manöver eines ihr aufgezwungenen politischen Stel­lungskrieges bringt ihre Anhängerscharen, was ja auch der Zweck

der Übung war, m Verwirrung. Die lange Kette ihrer dauernden, fast unvermeidlich scheinenden und vom Gegner geradezu fata­listisch hingenommenen Siege wird unterbrochen. Die Zeit ist nicht mehr dazu angetan, neue Erfolge zu versprechen. Es gilt vielmehr, die alten ohne 727c217h allzu starke Einbußen zu halten und zu verteidigen.

Wen wundert es, daß sich auch gleich die falsche Klugheit meldet? Die eigenen Siege werden der Bewegung zum Verhängnis. Sie haben ihre Anhänger zu ungestümem Angriff erzogen und sie damit der Defensive entwöhnt; nicht so sehr ihre alten Partei­gänger, die im Laufe der Jahre schon so viel an Auf und Ab des politischen Kampfes erlebt hatten, daß sie einer solchen schweren seelischen Belastungsprobe ohne weiteres gewachsen sind. Aber die scheinbar leichten Siege der letzten Wochen und Monate, die in Wirklichkeit nur das zwangsläufige Ergebnis eines jahrelangen erbitterten Ringens um die Macht waren, haben auch eine Menge von Flugsand ins Lager dieser revolutionären Bewegung geweht. Zwei Millionen Wähler gaben am 31. Juli der Partei ihre Stimme, weil sie annahmen, daß sie sowieso in einigen Tagen an der Macht sein würde. Sie fordern die Einlösung eines ihnen zwar nicht gegebenen, aber doch von ihnen als gegeben angesehenen Ver­sprechens, und als das nach Lage der Dinge im Augenblick nicht möglich erscheint, schwimmen sie enttäuscht wieder ab. Ohne jeden sichtbaren oder erklärbaren tieferen Grund gerät die Partei plötzlich und fast wie über Nacht in eine schwere Krise hinein. Was gestern noch ihre Zugkraft war, wirkt heute fast abstoßend. "Sie wählt sich tot", sagt man. Die Reaktion bezeichnet Hitler als gefallene Größe.

Und nun beginnt der Abzug der Massen: Zuerst unmerklich und kaum wahrnehmbar, dann aber in einem beängstigenden Tempo. So unerschüttert die Partei selbst bleibt, so labil werden ihre Wählerreihen. Nach Meinung der Angeschwemmten mußte

die Bewegung die Macht übernehmen, sie hat es nicht geschafft, also gehen sie über sie zur Tagesordnung über. Es scheint, als solle das infame Trickmanöver des Gegners gelingen. Der Reichstag wird erneut aufgelöst. Die Bewegung kehrt wiederum zum Volke zurück und sucht in einer wahrhaft gigantischen Anstrengung das gewonnene Terrain zu halten. Das erscheint zuerst fast aussichtslos. Man hat den Eindruck, als sei es nicht mehr der alte Schwung, mit dem sie zu Werke geht. Sie findet im Volke nicht mehr das Echo wie sonst.

Aber das beirrt ihre alte kämpferische Garde nicht. Mit einer verbissenen Wut stürzt sie sich in die Wahlschlacht hinein, und das unmöglich Scheinende wird möglich gemacht. Sie verliert zwar bei der Wahl am 6. November 34 Mandate und kehrt nur noch mit 196 in den Reichstag zurück, aber ihr kämpferischer Kern bleibt ungebrochen. Der Gegner hat das Ziel ihrer Auflösung nicht erreicht. Die Bewegung hat eine Reinigungskur durchgemacht und dabei die Schlacken abgeworfen, die sie gerade in ihren atem­beraubenden Siegeszügen angesetzt hatte. Aber was übrigblieb, das ist unüberwindlich. Sie hat sozusagen ihre Linien ausgeglichen und geht nun in die Verteidigung, um Kraft zu neuem Angriff zu sam­meln. Jetzt wird ihr keine wie auch immer geartete Krise mehr etwas anhaben. Auf dem Wege der Wahl ist sie nicht mehr zu beseitigen.

Also muß man es anders herum versuchen. Es beginnt eine lange Periode des Verhandelns, offenbar von seiten des Gegners zu dem ausgesprochenen Zweck, die Bewegung erneut auf das Glatteis zu locken und sie vor dem Volk ins Unrecht zu setzen. Aber ge­branntes Kind scheut das Feuer. Die Verhandlungen werden nur schriftlich geführt, damit sie nach ihrem vermutlich erfolglosen Abschluß nicht verfälscht werden können. Eine Einigung kommt nicht zustande. Der Führer übergibt die Verhandlungsprotokolle der Öffentlichkeit und reist von Berlin nach München ab. Die

Protokolle sprechen nur für ihn, und zwar mit dem Erfolg, daß die Anhänger auf die Vorenthaltung der Macht jetzt anders reagieren als vordem die Wähler. Diese waren nach dem 13. August ent­täuscht, jene sind nur wütend. Sie sehen darin nicht das Ergebnis einer mangelhaften politischen Führung, sondern eine schreiende Ungerechtigkeit, auf die man mit Kampf statt mit Resignation zu antworten hat. Die Reihen der Bewegung schließen sich wieder. Eine unvorstellbare Erbitterung hat sich der alten Parteigenossen bemächtigt. Sie sind gerade in der richtigen Stimmung, die nun erneut ausbrechende schwere Krise siegreich zu bestehen.

Es gelingt der Reaktion, aus der Kette der engsten Mitarbeiter des Führers ein Glied herauszubrechen. Da man die Partei nicht beseitigen kann, glaubt man sie dem Führer entwenden oder gar stehlen zu können. Man will, so rechnet man, einem Teil ihrer Führerschaft einen Teil der Macht geben, um damit Hitler kalt­zustellen. Der ganze Presse- und Propagandaapparat des Staates wird für dieses infame Manöver eingesetzt. Eine wahre Schmutz­flut von Lügen und Verleumdungen ergießt sich über die Partei und ihre Führerschaft. Man versucht den Eindruck zu erwecken, als befinde sie sich in vollkommener Auflösung, als sei sie gänzlich führungslos geworden und nicht mehr in der Lage, auch nur noch einen einzigen Wahlkampf siegreich zu bestehen.

Aber die Partei hält sich. Sie weiß, daß es jetzt um alles geht, daß die berühmte letzte Viertelstunde angebrochen ist, daß der Kampf um die Macht seinem entscheidenden Höhepunkt zueilt, und daß jetzt der gewinnen wird, der die stärkeren Nerven und den längeren Atem hat. Es ist richtig, daß ein Teil der Anhänger von Mutlosigkeit ergriffen und müde ist. Aber es ist auch richtig, daß die Bewegung als Gros ungebrochen dasteht und sich einer erneuten Belastungsprobe gewachsen zeigen wird. Es kann nicht bezweifelt werden, daß die Kassen leer sind und die Partei nur noch über wenig Reserven verfügt. Aber auch der Gegner ist abgekämpft;

er kann keinen großen Angriff mehr wagen, wenn er nicht Gefahr laufen will, vom Volkszorn weggefegt zu werden. Die Partie scheint gleich zu gleich zu stehen. Wer jetzt das letzte Bataillon auf das Schlachtfeld wirft, der hat gewonnen, dem wird das Schick­sal die Macht geben, und zwar für immer.

Der Jahreswechsel 1932/33 zeigt eine noch vollkommen unge­klärte Lage. Nur wer die Kraft besitzt, in die Zukunft zu schauen, und aus den Elementen des Heute das Morgen zu bestimmen, ahnt und fühlt, daß die Zeit reif ist. Die eigentliche Entscheidung fällt dann auf einem ganz engen und begrenzten Teilgebiet, dessen Größe in gar keinem Verhältnis zu der Weite der geschichtlichen Auseinandersetzung zu stehen scheint: In Lippe wird gewählt.

Die Partei besitzt nicht mehr so viel Geld, um den Wahlkampf, wenn auch notdürftig, überhaupt vorzubereiten. Ein Pump von ganzen 20.000 Mark gibt wenigstens die Möglichkeit zum Start. Während die Weisen der Republik in Berlin zusammenhocken und überlegen, was zu tun sei, geht die Partei, wie sie sagen, aufs Land. Redner, die gewohnt sind, in rauschenden Massenversammlungen vor 30.000 und mehr Menschen zu sprechen, stehen nun auf den Bühnen verräucherter Dorfkneipen und richten ihren Appell an 50, 60, 70 Menschen. Drei-, viermal wird allabendlich gesprochen, der Führer selbst, wie immer, an der Spitze, und hinter ihm sein gesamtes Führerkorps. Niemals vorher und niemals nachher hatte ein kleines Land eine solche Gelegenheit, die nationalsozialistische Rednerelite so bequem zu sehen und zu hören. In Berlin spottet man über den angeblichen Abstieg der Partei. "Nur Bauern hören noch zu", höhnt der "Vorwärts". Man hat in den Kreisen der Republik gar kein Gefühl dafür, daß hier auf kleinstem Raum die Entscheidung fallt, daß jetzt der berühmte letzte Tropfen das Faß zum Überlaufen bringen wird. Langsam neigt sich die Waage des Erfolges. Die Göttin der Geschichte hält sie mit eigener Hand. Zuerst gerät sie leicht ins Schwanken, schlägt einmal noch nach

dieser, das andere Mal nach jener Seite aus, um dann endgültig und für immer zu unseren Gunsten niederzusinken.

Der 15. Januar bringt einen vollen Sieg der nationalsozialistischen Bewegung in Lippe. Damit ist der Beweis erbracht, daß sie ihre Krise überwunden hat. Würde man sie jetzt erneut zu einer Reichstagswahl zwingen, sie würde mit ihrer alten Mandatszahl vom 31. Juli 1932, wenn nicht mit mehr zurückkehren. Triumph der Zähigkeit! Die letzte Probe ist bestanden. Noch einmal wird sie auf das Exempel gemacht, als an demselben 15. Januar die Berliner SA. auf dem Bülowplatz aufmarschiert: "Front Karl-Liebknecht-Haus!" Die Kommunisten drohen mit Straßen­kämpfen, und die Regierung ist schon im Begriff, weich zu werden. Aber die Partei ist wieder im Besitz ihrer alten Kampfkraft. Sie erklärt, daß der Aufmarsch auf jeden Fall stattfinden werde, ob mit oder ohne Erlaubnis der Regierung, und vor ihrem festen und entschlossenen Auftreten weicht der reaktionäre Klüngel zurück. Damit ist die Hauptstadt praktisch in unserem Besitz.

Was jetzt noch kommt, ist Begleitmusik. Die Entscheidung ist bereits gefallen. Sie findet am 30. Januar ihre formelle Bestätigung, als der Führer die Kanzlerschaft des Deutschen Reiches übernimmt. In einem Vorbeimarsch von über einer Million Menschen an der Reichskanzlei drückt nun auch das Volk sein Siegel unter die Akte des Umsturzes. Und nun ist mit einem Male alles anders. Keiner will mehr am Siege gezweifelt haben. Mit der Laterne kann man die zwei Millionen Wähler suchen, die uns am 7. November 1932 im Stich gelassen haben. Wer spricht noch von der Ebbe in unseren Kassen, die uns vor ein paar Tagen noch so viel Sorgen bereitet hat? Wo sind die Meckerer und Miesmacher, die längst schon die Flinte ins Korn geworfen hatten? Wo die Leitartikler der großen Berliner Blätter, die Hitler für eine Größe von gestern erklärten, wo die gelehrten Nationalökonomen, die mit viel Fleiß und Sachkunde das nationalsozialistische Wirtschaftsprogramm widerlegten, wo die

Staatsphilosophen, die als Behelf gegen uns eine konservative Ver­fassung auf dem Papier erfänden, wo die Richter und Staatsan­wälte, die uns mit dicken Aktenbänden Hoch- und Landesverrat nachwiesen, wo die Juden, die uns verlachten, wo die Sozen, die uns verhöhnten, wo die Kommunisten, die uns Tod und Ver­derben zugeschworen hatten? Alles das versinkt im Rausch des Sieges, der wie eine Sturmflut über das ganze deutsche Volk herein­bricht. Die vor ein paar Tagen noch mit viel Aufwand an Stimme und Verstand den unwiderleglichen Beweis führten, daß der Nationalsozialismus nicht siegen werde, weil er nicht siegen könne und deshalb auch nicht siegen dürfe, schweigen plötzlich ganz verdutzt, überlegen einen Augenblick und tun dann das Beste, was sie überhaupt tun können: Sie schwenken die Tücher und rufen Hurra. Man kann weit und breit niemanden entdecken, der je auch nur eine Sekunde daran gezweifelt hat, daß Hitler siegen werde und siegen müsse. Mit einem Schlage sind alle Widerstände über­wunden. Das Schicksal hat entschieden, und jeder beugt sich seinem Entscheid.

Siege von Format werden nur auf solche Weise errungen. Kein großes Ziel ist ohne Mühe, ohne Schweiß, ohne Opfer und ohne Blut zu erreichen. Immer kommt vor dem Siege noch einmal die Zeit der Herzbeklemmung, in der das Schicksal die kämpfende Generation vor die letzte Zerreißprobe stellt. Ist die bestanden, dann ist alles bestanden. Verweigert man und nimmt die gefähr­liche Hürde nicht, dann ist aber auch ebenso alles verloren. Es wird immer Menschen geben, die kurz vor dem letzten Sprung die Schwierigkeiten überschätzen und zurücklaufen wollen. Das ist der schwerste Fehler, den man überhaupt machen kann. Hier zeigt es sich auch, ob einer ein starkes Herz besitzt oder nicht, und das ist in kritischen Stunden wertvoller als nur Verstand und Intellektualität. Hier gibt es nur eine Sünde, und das ist die Feigheit. Das Schicksal ist immer gerecht. Es stellt sich nur auf die Seite der-

jenigen, die das verdienen. Und verdienen kann man sich seine Gunst allein durch Beharrlichkeit und Beständigkeit.

Was sich Ende des Jahres 1932 und Anfang des Jahres 1933 abspielte, war gewiß nur klein und bescheiden dem heutigen Geschehen gegenüber, wenn man nur die Weite und die Dimen­sionen der historischen Auseinandersetzung in Betracht zieht. Die Tugenden, die es dabei zu bewahren galt und gilt, sind die gleichen. Auch damals ging es um dasselbe, um das es heute geht und um das es immer gehen wird, wenn die Göttin der Geschichte ihre Waage hält und alle sich mit bangem Zweifel fragen, nach welcher Seite sie ausschlagen wird:

Um die Tapferkeit des Herzens, die Tugend der Männer.


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