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Thomas Manns erster Roman <Buddenbrooks> von Shushi Takeda

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Thomas Manns erster Roman <Buddenbrooks>

von Shushi Takeda

Thomas Manns erster Roman Buddenbrooks ist als ein Monu­mentalwerk in der modernen deutschen Literaturgeschichte sehr bekannt: Kein deutscher Roman, "weder Goethes Wilhelm Meister noch kellers Roman [ Der grüne Heinrich ] haben europäische Geltung erlangt, etwa in dem Sinne, daß draußen in den andren Ländern diese Romane vom dortigen breiten Bürger­tum als Darstellungen der eigenen Seelenwelt gelesen oder an­erkannt wurde ; dagegen erschienen die Buddenbrooks erst­mals mit der richtigen Eigenschaft einer Weltliteratur.



Aber wir wollen nicht die literaturgeschtliche Bedeutung des Werkes betrachten, sondern, welche Bedentung für den noch jungen Autor selbst der Roman hatte: Das Buch hat vor allem die Bedeutung, daß sich an ihm zum ers ten Mal in der lite­rarischen Welt die dichterische Stellung von Thomas Mann fest­stellen ließ und den weiteren Lesekreisen seinen Namen bek annt machte. Aber solche oberflächliche Bedeutung ist für uns nicht wichtig. Wir wollen die Bedeutung des Buches erfassen, die das Innere des Autors betrifft: Nach meiner Meinung erlangte Tho­mas Mann erst durch den Roman seine entscheidende Selbster­kenntnis, die darin bestand, daß er den Bürger in sich selbst entdeckte, d.h., daß er sich seiner Bürgerlickeit zutiefst bewußt wurde. Um das zu verstehen, muß man die vor dem Roman geschriebenen Erzählungen mit dem Tonio Kröger vergeichen, der "ihm [dem Roman Buddenbrooks ] atmosphärisch nächstver­wandt, auf ihn folgte" : Was das Thema des Tonio Kröger

auch sein mag, die Rolle des "Bürgers" wird ohne Zweifel absichtlich betont, kurz, "der Bürger" ist für Tonio eine sehr wichtige Daseinsform; in den vor den Buddenbrooks geschrie­benen Erzählungen wird dagegen "der Bürger" -wenigstens absichtlich- ganz nnd gar nicht in Frage gestellt. Zwar in dem Bajazzo erscheint ein wohlhabender angesehener Bürger, der Vater des Helden, und er ist dem Vater des Tonio Kröger sehr ähnlich. Aber wer dort die wichtigere Rolle spielt, ist nicht er, sondern die Mutter, deren Charakter rein künstlerisch ist. Von diesem Standpunkt aus gesehen, scheint die Meinu 14314r176o ng richtig zu sein, daß Manu durch den Roman ^Buddenbrooks^ eine neue Selbsterkenntnis erlangte, die darin bestand, daß er sich seiner Bürgerlichkeit zutiefst bewußt wurde. Aber jedenfalls müssen wir durch die Untersuchung des Romans selbst diese Meinung bestätigen.

Übrigens plante der Autor nicht von Anfang an, das Buch als einen solch umfangreichen Roman zu schreiben, wie er dann entstand. Deswegen erwähnen wir erst seine Entstehungs­geschichte.

Anfang Juni 1897 empfing der zweiundzwanzigjährige Thomas Mann, der etwa seit einem halben Jahr in Rom gelebt hatte, einen Brief des damals berühmtesten Berliner Verlegers Samuel Fischer. Das ist der Anfang der Entstehungsgeschichte. In diesem Brief wurden hauptsächlich einige geschäftliche An­gelegenheiten für einen Novellenband Thomas Manns besprochen, der unter dem Titel Der kleine Herr Friedemann heraus­gegeben wurde. Der Verleger fügte aber dem Brief den Wunsch hinzu, in nächster Zukunft "ein grösseres Prosawerk" veröffentli­chen zu wollen. Diese Vorstellung erweckte plötzlich des jun­gen Schriftstellers Lust, einen Roman zu schreiben: Bisher hatte er "short story" für sein Genre gehalten und überhaupt nicht einen Roman geplant.

Zwar erweckte die Anregung Fischers seine Lust, einen Ro-

man zu shreiben aber das Werk, das sich Mann ursprünglich vorstellte, war, wie gesagt, kein umfangreicher Roman, sondern ein mittlereres Prosawerk mit "zweihundert fünfzig Seiten" , dessen Stoffe er aus seiner Vergangenheit und seiner Familie sammeln wollte Er interessierte sich zu diesem Zeitpunkt "nur für die Gschichte des sensitiven Spätlings Hanno und allenfalls für die des Thomas Buddenbrook" , d. h. wie Hans M. Woiff sagt, am Anfang sollte es "sich um ein im wesentlichen auto­biographisches Werk, einen Künstlerroman handeln" . Betrachtet man die Umstände dieses Entwurfs aus einem anderen Gesichts­punkt, so kann man verstehen, daß der Autor vor allem ein Werk plante, das er mit der erprobten Fähigkeit eines Novellisten würde schreiben können. Zwar wäre es auch für den damaligen Thomas Mann eine erste Erfahrung, ein mittleres Prosawerk von zweihundertfünfzig Seiten zu schreiben, aber er, der vortreffliche Novellist, hielt dies immerhin noch für möglich ; und dazu hatte er schon ein Vorbild gefunden, das ihm bei der schwierigen Arbeit helfen würde. Es war, wie wohl bekannt, Ren e Mauperin der Brüder Goncourt. Er las immer wieder "dieses in ganz kurzen Kapiteln komponierte Werk" und dachte, "der­gleichen müsse doch schließlich auch wohl zu machen sein"

Nach den sorgfältigsten, etwa fünf Monate dauernden Vorarbei­ten wurde der Roman Buddenbrooks Ende des Oktobers 1897 in Palestrina, in der Nähe von Rom, begonnen. Doch nahm all das, was der Auotr "nur als Vorgeschichte behandeln zu können geglaubt hatte", sogleich "sehr selbständige, sehr eigenberech-tigste Gestalt an" . Übrigens kann man leider auch in den be­stehenden Bruchstücken der Buddenbrooks-Urhandschrift keinen Anhalt finden, der uns die konkreten und genauen Ursachen die­ses Verlaufes zu erkennen geben würde. Dennoch scheint es nicht zu bezweifeln daß eine dieser Ursachen die Beschreibung einer Reihe von Tony-Geschichten (Grünlichs Heiratsantrag, Tonys Qual, ihre Liebe in Travemünde und ihre Hochzeit) ist. Denn obgleich diese Tony-Geschichten ohne Zweifel zu jenen

"Vorgeschichten" gehören, so ist doch ihre Beschreibung allzu eingehend. Also könnte man die konkrete Situation dieses Ver­laufes folgendermaßen erklären Zuerst plante der Autor die Geschichte des Thomas Buddenbrook und des Hanno, aber er fand keinen Anfangio und beabsichtigte die Geschichte "ab ovo"u zu beginnen. Hier tauchte eine Person Tony in seinen Kopf auf und obwohl sie in Hinsicht auf den Verfall nur eine Nebenfigur ist, trat sie in den den Vordergrund, weil der Autor ahnte, daß diese Person sehr anziehend werden würde.

Danach lebte Thomas Mann etwa ein halbes Jahr lang in Rom, während er das heutige Wsrk mindestens bis zum Ende des dritten Teils fertig schrieb. Ende April kekrte er mit dem sehr angeschwollenen Manuskript nach München zurück, wo er noch etwa zwei weitere Jahre fortfuhr, diesen ersten Roman zu schreiben. Auch in dieser Periode wurde das Werk noch immer größer. Diese zwei Jahre waren anscheinend für Mann, der noch in der ersten Hälfte der Zwanziger war, die Periode seiner er­sten dichterischen Probe Die Autobiographie seines Freundes Kurt Martens teilt beispielsweise mit, daß Mann sich damals ohne viel Selbstvertrauen mit seinem Romanentwurf schrecklich plagte. Aber Mann fuhr vermutlich mit Leib und Seele fort, seinen Erstlingsroman zu schreiben. Seine geistigen Stützen während dieser Zeit waren zum Beispiel die großen Prosawerke von Tolstoi, die Aufmunterung des Kurt Martens und auch wahrscheinlich sein heimliches Selbstgefühl, daß er kein Werk schreibe, das jeder schreiben könnte. So wurde der Roman Buddenbrooks um die Jahrhundertwende, im Mai 1990, vollendet. Bis zur Volleudung benötigte er also etwa drei Jahre.

Buddenbrooks Der Roman ist, wie der Untertitel zeigt, die Geschichte des Verfalls einer Familie die Geschichte von vier Generationen der wohlhabenden Kaufmannsfamilie Buddenbrook in der hanseatischen Stadt Lübeck. Aber der Roman wird da­durch charakterisiert, daß er zugleich die Geschichte einer Ent-

bürgerlichung, Vergeistigung ist. Der Prozeß der Entbürger-lichung und Vergeistigung wird deutlich in den Worten und Taten der Hauptgestalten ausgedrückt.

Der alte Johann Buddenbrook, der zweite Chef der Firma <Johann Buddenbrook>, ist ohne Zweifel ein kühner, tüchtiger Kaufmann und zugleich ein kulanter Bürger Die Welt, worin er lebt, ist beispielsweise noch nicht jene idyllische Welt, die auf die Tapeten des < Landschaft zimmers> gemalt ist aber er lebt noch im Einverständnis mit seiner Welt. Er ist, mit den Worten des Autors, ein Mensch, der "mit beiden Beinen in der Gegenwart steht" Wenn man sich wie der Interpret Joseph Kunz den alten Johann Buddenbrook gewissermaßen als <Ver­treter der Ordnug von der vorbürgerlichen Welt> vorstellt, so sind die Eigenschaften dieser Welt "l. Das ausschließliche Ge­formtsein durch die <Umwelt>" und "2. Der Charakter der <Kom­plexität> für alle Lebens-aüßerungen Die Gegensätze des Leben­digen sind noch nicht auseinnader und in Spannung getreten, der Gegensatz des Individuellen und Allgemeinen, der Gegensatz des Lebens und des Todes in der Kategorie der Zeit gesprochen, der von Zukunft und Vergangenheit" so ist der alte Johann gerade einer dieser Vertreter. Zu ihnen gehören auch der Dichter Hoffstende, Lebrecht Kröger und der Pastor Wunderlich. Sie sind, mit anderen Worten, im geistigen Bereich problemlose Menschen. Hier müssen wir einen anderen Namen erwähnen: Hinrich Hagenström, Teilhaber der Firma <Strunk und Hagenström>. Auch er ist einer jener problemlosen Menschen, und dennoch sind er und der alte Johann deutich zwei Menschen von ungleicher Persönlichkeit. Die folghnden Beispiele scheinen die Ungleichheit i hrer Persönlichkeiten hervorzuheben Der alte Johann liebt die Musik (er bläst Flöte) und verteidigt die klassische Bildung dagegen hat Hagenström für sie ganz und gar kein Interesse. Kurz, jener stammtauseiner traditionellen bürgerlichen Familie und ist noch ein ganzer Bürger; dieser ist dagegen ein emporkommender Bourgeois. Dieser Unterschied bestimmt in

einem gewissen Sinne den zukünftigen Aufschwung oder Nieder­gang ihrer Familien. Denn man kann schon in der Persönlich­keit oder dem Charakter des alten Johann eine entfernte, aber entscheidende Ursache des Niedergangs der Familie Buddenbrook finden: Er ist zwar im geistigen Bereich ein problemloser Bürger, aber er, der Flöte bläst und die klassische Bildung verteidigt, ist viel verfeinerter als Hinrich Hagenström. Sein Benehmen nach dem Tode seiner Frau zeigt, daß er schon "von Skepsis und Zweifel leise berührt" ist.

Der alte Johann zweifelt fast bis an den Tod überhaupt nicht an seinem Leben, während die ganze Handlung des Sohns Johann von Anfang an durch seinen Zweifel an dem irdischen Leben bestimmt wirt. Der Sohn Johann zeigt sich zwar "manches Mal im entschlossenen Ergreifen des Vorteils" als ein ziemlich fähi­ger Kaufmann, aber er hat vage Angst und Furcht vor dem Menschen oder Menschengefühl und er kann ohne den Glauben an ein Jeneits durchaus nicht in der irdischen Welt zu einem un­erschütterlichen Seelenfrieden gelangen.

Wenn man nun den alten Johann als einen "klassischen" Bür­ger ansieht, so kann man Sohn Johann einen romantischen Bür­ger nennen. Diese Annahme bestätigt am besten der folgende Dialog über den Garten," den Buddenbrooks gleich hinter dem Burgtore besaßen"

">> Ja, meiner Treu !<< sagte der Alte (Johann). >> Ich ärgere mich noch immer, daß ich mich seinerzeit nicht resolvieren konnte, ihn ein bißchen menschlich herrichten zu lassen Ich bin kürzlich mal wieder hindurchgegangen es ist eine Schande, dieser Ur­wald Welch nett Besitztum, wenn das Gras gepflegt, die Bäume hübsch kegel-nud würelförmig beschnitten wären - - - <<

Der Konsul (Der Sohn Johann) aber protestierte mit Eifer. >>Um Gottes willen, Papa - ! Ich ergehe mich sommers dort gern im Gestrüpp aber alles wäre mir verdorben, wenn die schöne, freie Natur so kläglich zusammengeschnitten wäre---<<

>>Aber wenn die freie Natur doch mir gehört, habe ich da

zum Kuckuck nicht das Recht, sie nach meinem Belieben herzu­richten <<

>>Ach Vater, wenn ich dort im hohen Grase unter dem wu­chernden Gebüsch liege, ist es mir eher, als gehörte ich der Natur und als hätte ich nicht das mindeste Recht über sie - - - << "

Es ist allzu deutlich, daß die Meinung des alten Johann aus dem klassischen Gedanken an den Garten oder die Natur im Abend­land stammt, und daß die des Sohnes Johann einem Slogan <Ver­einigung des Menschen mit der Natur>, den die Romantiker ausruften, sehr ähnlich ist.

Thomas Buddenbrook ist dann vielleicht die problemvollste Gestalt unter allen Personen und ist in dem Sinne die wichtigste. Er erbt atavistisch den Ehrgeiz, den Willen zur Macht und die Fähigkeit eines tüchtigen Kaufmanns von dem Großvater und erbt anderseits in mehr verfeinerter Form die Konstitution und die Empfänglichkeit von dem Vater. Deswegen muß er sich be­wußt sein, daß sein kaufmännisches Leben stest in Gefahr ist: "Seine unalltäglichen, undürgerlichen Gefühle " erschüttern stets die Grundlage seines kaufmäunischen Lebens. Solche Neigung - Neigung zur Trennung von dem gesuden naiven Leben wurde bereits in seinem Vater Johann deutlich wahrgenommen. Aber Johann ist nicht qualbeladener, nicht problemvoller als Thomas, weil er sich ohne Zögern auf den Glauben an ein Jenseits stützen konnte. Dagegen ist Thomas Buddenbrook sozusagen durch und durch "ein Sohn der Neuzeit" Fast bis an den Tod stellt er keinen Gauben in Frage. (Hier müssen wir uns daran erinnern, daß die Kunst und die Philosophie in der Neuzeit dieselbe Aufgabe erfüllten, die die Religion bis dahin erfüllt hatte. Was Thomas betrifft, ist er ein verfeinerter Leser eines Kunstwerkes.) Er muß also irgendeine Stütze für sein banges Leben finden.

Was ihn im besten Mannsalter stützt, wo er zuglecih das Ge­schäft der Firma zum Blühen bringt und seine Ehre erhöht, das ist eine Art von sonderbarer Lebensphillosophie, die ihm zum Beispiel am Totenbett des Onkels Gotthold durch den Kopf geht

Wolltest du (Gotthold) es überhaupt anders, als du es ge­habt hast Obgleich du trotzig warst und wohl glaubtest, dieser Trotz sei etwas Idealistisches, besaß dein Geist wenig Schwung­kraft, wenig Phantasie, wenig von dem Idealismus, der jemanden befähigt, mit einem stillen Enthusiasmus, süßer, beglückender, befriedigender als eine heimliche Liebe, irgendein abstraktes Gut, einen alten Namen, ein Firmenschild zu hegen, zu pflegen, zu verteidigen, zu Ehren und Macht und Glanz zu bringen. Der Sinn für Poesie ging dir ab, abgleich du so tapfer warst, trotz dem Befehl deines Vaters zu lieben urd zu heiraten. alles ist bloß ein Gleichnis auf Erden, Wußtest du nicht. daß man auch in einer kleinen Stadt ein großer Mann sein Kann Daß man ein Cäsar sein kann an einem mäßigen Handelsplatz an der Ostsee Freilich, dazu gehört ein wenig Phantasie, ein wenig Idealismus -)

Aber diese romantische Lebensphilosophie kann ihn nur stützen, solange er sich seine körperliche Jugendlichkeit erhält. Mit der Abnahme seiner Körperkraft muß er wissen, daß die Lebensphilo­sophie, die ihn bisher gestützt hat, eigentlich eine vorläufige Stütze war und keine Antworten auf die letzten Probleme ent­hält, die ihm immerfort im Kopf herumgehen : Die Lebensphil­osophie in seinem besten Mannsalter war sozusagen ein Notbehelf gegen jene Frage, die ihn lange Zeit gequält un eine endliche Antwort von ihm gefordert hatte War er ein praktischer Mensch oder ein zärtlicher Träumer?" Übrigens können wirnicht umhin, insbesondere diese Fragezi <War er ein praktschier Mensch oder ein zärtlicher Träumer ?> zu beachten. Denn die Frage ist nicht anders als die Frage, die Tonio Kröger vom Standpunkt eines Dichtersaus übernehmen wird. Wenn man also die folgende Worte des Joseph Kunz anerkennt "der Gegensatz Bürger-Künstler ist (in Wahrheit) nicht ein Konflikt, der zwischen einer Position bürgerlicher und einer solchen außerbürgerlicher Art ausgetragen wird, sondern in ihm kommen Spannungen und Gegensätze zum Ausdruck, die in der Situation der bürgerlichen Gesellschaft selbst

angelegt sind und immer wieder von ihr ausgetragen und zum Ausgleich gebracht wurden mußten";!, so kann man sagen, daß das führende Thema der Erzählung <Tonio Kröger> bereits zu dem Zeitpunkt, als der Autor die Geschichte des Thomas Buddenbrook beschrieben hatte, dem Leser vorgelegt wurde.

Thomas Buddenbrook nun fühlt in seinen späteren Lebensjahren seinen Tod herannahen und muß wohl oder übel der letzten Frage-der Frage von Ewigkeit nud Unsterblichkeit-ins Gesicht sehen. Bisher hatte er diese Frage "historisch beantwortet und sich gesagt, daß er in seinen Vorfahren gelebt habe und in seinen Nachfahren leben werde" Aber es zeigt sich, daß die Antwort "vor dem nahen und durchdringenden Auge des Todes dahinsank und zunichte ward, unfähig, auch nur eine Stunde der Beruhigung und Bereitschaft hervorzubringen." Hier folgt eine nur allzu bekannte Episode, das Schopenhauer-Erlebnis von Thomas. Aber obgleich diese Episode eine der rührendsten Szenen in dem Rmoan und auch die Klimax im Leben des Thomas ist, scheint sie nicht so merkwürdig zu sein, abgesehen davon, daß sie sozusagen eine Durchzeichung des Erlebnisses von dem Autor selbst ist. Wir dürfen es weniger noch bei Thomas Budden­brook übersehen, daß er zwar vorläufig in der bestehenden Philosophie oder Religion die Antworten seiner letzten Fragen findet, aber schließlich auch dadurch nicht zum unerschütter­lichen Seelenfrieden gelangt und einen elenden Tod stirbt, wie vielleicht zahlreiche der geistigen Menschen in der Neuzeit. Diese Porblematik bestimmt die eigentliche Gestalt des Thomas und zugleich allgemein die Gestalt eines Mznschen, der in seiner geschlossenen Welt leidet. Thomas Buddenbrook is vielleicht einer der typischsten Menschen, die in der bürgerlichn Gesell­schaft unter der Disharmonie zwischen ihrer eigenen Existenz und der Welt litten.

Der kleine Hanno, der Sohr des Thomas Buddenbrook, ist, wie Inge Diersen hervorhebt, "in jeder Hinsicht der Erbe" : Sein Versagen der psychisch-physischen Kraft ist "einzig und

allein schicksalhaftes Erbteil" und erbt auch "die Ausschal­tung des Vaters aus dem kapitalistischen Geschäftsleben als Lebensun- tauglichkeit." Und wer das am tiefsten erkennt, ist niemand anderes als sein Vater Thomas. Denn dieser wagt es in demTestament, jenem die Zukunft der Firma nicht anzuver­trauen.

In dem letzten Teil des Buches tritt das unvergeßlichste Ka­pitel in den Vordergrund; das zweite Kapitel, darin ein Tag des fünf zehn-jährigen Hanno eingehend beschrieben ist.  Wie jenes philosophische Erlebnis des Thomas Buddenbrook das Schopenhauer-Erlebnis Thomar Manns widerspiegelt, so gibt Hannos Schulleben das des Autors selbst wieder. Was wir hier vor allem beachten müssen, das ist vielleicht Hannos Empfindlich­keit Seine Schule wird beherrccht durch eine despotisch-militärische Ordnung, deren Symbol der Direktor Wulike ist; diese Ordunng beruht auf einer lügenhaften Atmosphäre, auf die er reizbar reagiert und in der er oft so etwas wie Übelheit emp­findet. Er stirbt zwar an Typhus, aber was ihn umbringt, ist auch diese gewaltige, lügenhafte Gesellschaft. Hierin hat sein Tod eine symbolische Bedeutung. Mit anderen Worten bedeutet sein Tod zugleich ein Ende der Familie Buddenbrook, die den Weg der geistigen Verfeinerung Schritt für Schritt gegangen ist, und ein Opfer an die Gesellschaft, die in die entgegengesetzte Richtung geht. So stellt der Autor symbolisch die damalige Situation der Gesellschaft dar und zeigt, daß Hannos Tod eine soziale Bedeutung hat. Aber damals, als der junge Autor den Roman schrieb, war er sich dessen nicht bewußt.

Wir haben oben sozusagen die geistigen Porträts der Haupt­gestalten skizziert. Diese Skizze enthält selbstverständlich nich das Gesamtbild der Welt des Romans. Aber wir wollen nicht beabsichtigen, wie die Interpreten des Werkes gewöhnlich tun, weiter zu fragen: "Was sind Ursachen des Verfalls, den der Roman schildert?" oder wie ist "die Motivierung des Ver-

falls?"

Die Ursachen des Verfalls mögen übigens, wie Hans M. Woiff sagt, sowohl "der unnatürliche Luxus" als auch "die ebenfalls unnaturliche Überschätzung des Geldes" sein. Die Motivierung des Verfalls mag, wie Inge Diersen hervorhebt, "von zwei Seiten aus erfolgen": Die eine Seite mag "die ökonomisch­historische" sein. Die andere Seite mag "die biologische" sein. Aber solche Diskussionen führen uns oft weiter zu den soziologi­schen, Ökonomie- geschichtlichen Problemen oder weisen zu­mindest auf die einigen Motive hin, die der Roman enthält. Was das erste betrifft, sind die üntersuchnngen solcher Pro­bleme freilich bedeutsam, um das Werk zu verstehen.

Am Anfang dieses Kapitels haben wir die Frage vorgebracht, welche Bedeutung für den Autor selbst der Roman hatte, und wir haben folgendermaßen geantwortet: Thomas Mann erlangte erst durch den Roman seine entscheidende Selbsterkenntnis, die darin bestand, daß er den Bürger in sich selbst entdeckte, d. h. , daß er sich seiner Bürgerlichkeit zutiefst bewußt wurde. Um diese Meinung zu verstehen, haben wir dabei die vor dem Roman geschriebenen Erzählungen mit dem <<Tonio Kröger>> verglichen. Diese Meinung bestätigt nun noch sicherer der Hinweis, daß das führende Thema des <<Tonio Kröger>> bereits zu dem Zeitpunkt dem Leser vorgelegt worden war, als der Autor die Geschichte des Tomas Buddenbrook geschrieben hatte, ebenso wie dies auch das besagte Mitgefühl des Autors zu den Hauptgestalten bestätigt.

Anmerkungen

1) Rudolf K. Goldschmit-Jentner: Nachwort von Manns <<Tristan>>, S.51, Reclam, Universal- Bibliothek Nr. 6431

Thomas Mann: Lübeck als geistige Lebensform, s. 178, Autobiogra­phisches Fischer Bücherei,

Paul Scherrer : Bruchstücke der Buddenbrooks-Urhandschrift und Zeu­gnisse zu ihrer Entstehung S. Neue Rundschau LXIX(1958)

T. Mann: Lübeck als geistige Lebensform, s. 179

ebd. s. 180

Hans M. Woiff: Thomas Mann, S. Francke Verlag, Bern.

T. Mann: Lübeck als geistige Lebensform, s. 180

vgl. Paul Scherrer: Bruchstücke der Buddenhrooks-Urhandschrift und Zeugnisse zu ihrer Entstehung 1897-1901, s.

T. Mann: <on myself>, s. 8, Blätter der T. Mann Gesellschaft, Nummer Zürich,

siehe Kurt Martens: Schonungslose Lebenschronikl870-1900 ; in :

Thomas Mann im Urteil seiner Zeit, s. 14

T. Mann: Buddenbrooks, S. 41, Fischer Bücherei

Joseph Kunz: Thomas Mann, s. 253; in: Deutsche Literatur im zwanzigsten Jahrhundert, hrsg. von H Friedmann und Mann, Zweite, veränderte Auflage, Waifgang Rothe Verlag.

T. Mann: Buddenbrooks.s. 35

17) ebd. s. 22

18) ebd. s. 22f.

siehe ebd. s. 195

20) ebd. s.

ebd. s. 356

J. Kunz Thomas Mann, s.

T. Mann: Buddenbrooks, s. 495

Inge Diersen Untersuchugen zu Thomas Mann, s. 41, I. Auflage, Rütten und Loening Verlag, Berlin,

ebd. s.

27) ebd. s.

H. M. Woiff Thomas Mann, s.

29) I. Diersen Untersuchungen zu Thomas Mann, s.

H. M. Woiff Thomas Mann, s.

31) I. Diersen Untersuchungen zu Thomas Mann, s.

H. M. Woiff Thomas Mann, s.

Herbert Lehnert Thomas Mann-Fiktion, Mythos, Religoin, s. zweite, veränderte Auflage, W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart,

R. K. Goldschmit-Jentner Nachwort von Manns <Tristan>, s.

ebd. s. 52


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