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Was ist ein Opfer

Germana


Was ist ein Opfer?

28. Dezember 1941

In Zeiten großer Gemüts- und Gefühlserregungen - und der Krieg ist ja eine solche - verlieren Worte und Begriffe manchmal ihren eigentlichen Sinn, und die Sprache läuft Gefahr, an Prägnanz und Schlagkraft einzubüßen. Je länger solche Gemüts- und Gefühls­erregungen andauern, desto eher sind die Menschen geneigt, sie mit ihrem Alltag in Übereinstimmung zu bringen, und Parolen, die gestern noch eine Welt in Bewegung setzten, sind heute schon dabei, in den Umgangsjargon überzugehen. Wenn auch in diesem Kriege von oben peinlichst darauf geachtet wird, daß Dinge der Alltäglichkeit und Fragen unseres nationalen Schicksals säuberlich voneinander geschieden werden und somit ihre Konturen behalten, so kann man doch hier und da beobachten, daß bestimmte Begriffe durch zu häufigen Gebrauch abgenutzt werden und wir dann, wenn wir sie wirklich einmal zum Ausdruck bringen wollen, dafür keinen passenden Ausdruck mehr zur Verfügung haben.



Die Soldatensprache ist nicht dieselbe wie die Sprache der Zivilisten. Ganz abgesehen von technisch-militärischen Worten und Wendungen pflegt man sich auch sonst an der Front anders zu unterhalten als in der Heimat. Das kommt schon daher, daß die Front in einem ganz anderen Milieu und unter ganz anderen Bedingungen lebt als die Heimat. Demgemäß muß aber auch die Heimat, wenn sie von der Front, zur Front oder über die Front spricht, sich einer anderen Sprache befleißigen, als sie zu Hause im Alltag üblich ist. Es muß bestimmte Worte geben, die fast ausschließlich für die Front oder doch mindestens für Dinge, die

mittelbar oder unmittelbar mit der Front oder 11311g621l dem Kriegsgeschehen zusammenhängen, reserviert bleiben. Und dazu gehört auch das Wort Opfer.

Ein Opfer bringt der Soldat, der seit 1939 im Felde steht, der durch den Staub Polens und durch die Sonne Frankreichs mar­schierte, der im Südosten über lehmige Straßen zog und dann im Osten nun schon sechs Monate in einem barbarischen Kampf um die Existenz seines Volkes sein Leben einsetzt. Wenn er heute vom Weißen bis zum Schwarzen Meer in einer über 2000 km langen Front in Schnee und Eis, Frost und Kälte unerschüttert steht, manchmal ohne Essen, manchmal ohne Munition, von Presse, Rundfunk, Film, Theater und aller Kultur seit über einem halben Jahr vollkommen abgeschnitten, wochenlang auf die Feldpost wartend, kein Dach über dem Kopf und kein Bett, in dem er schla­fen kann, um sich nur trostlose Weite und vor sich den Feind, wenn er dann aushält und tapfer bleibt, seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse denen der Allgemeinheit unterordnet, dann bringt er ein Opfer.

Aber dasselbe kann man doch nicht von einem Volksgenossen sagen, weil er wegen der durch den Krieg notwendig gewordenen Verkehrseinschränkungen eine halbe Stunde auf die nächste Straßenbahn warten muß und statt abends um 7 Uhr um % 8 Uhr nach Hause kommt, wo er seine Frau und seine Kinder und sein wenn auch bescheideneres Abendessen vorfindet, dazu die Zeitung und den Rundfunkapparat, an dem er nur einen Knopf umzu­drehen braucht, um sich, wenn auch nicht mehr mit Dutzenden, so doch mit einigen oder wenigstens mit einem Sender zu verbin­den. Ist er müde, dann legt er sich ins Bett. Ist seine Arbeit beson­ders anstrengend, dann darf er sich meistens dafür sonntags aus­schlafen, und gibt er eine halbe oder eine Stunde dafür hin, dann kann er sich sogar eine Kino- oder Theaterkarte kaufen und sich samstags oder sonntags einen Film oder eine Oper anschauen.

Entweder dürfen wir das, war der Zivilist tut, nicht Opfer nennen, oder wir müssen für das, was der Soldat tut, einen neuen Aus­druck erfinden. Jedenfalls aber weigern wir uns, beides überhaupt miteinander in Vergleich zu setzen. Die Heimat außer den luft­gefährdeten Gebieten nimmt bestenfalls Einschränkungen oder mehr oder minder unangenehme Entsagungen auf sich; die Front aber bringt Opfer.

Der Einzelne darf niemals in den Fehler verfallen, seinen eigenen Anteil am Krieg zu überschätzen. Insbesondere aber ist es gänzlich unangebracht, für alles, was er an Unbequemlichkeiten mit sich bringt, den Staat oder die Regierung oder die Partei verantwortlich zu machen. Es gibt welche, die glauben, durch Zahlung der Steuern einen Anspruch darauf zu erwerben, in allem von oben betreut zu werden, ohne daß sie selbst etwas dazu zu tun brauchten. Der Krieg, den wir heute rühren, ist weder ein Krieg der Regierung noch der Wehrmacht noch der Partei. Er ist ein Krieg des ganzen Volkes. So wie das ganze Volk, und zwar ohne Ausnahme, einmal in den Genuß der Erfolge dieses Krieges kommen wird, so muß das ganze Volk, und zwar ohne Ausnahme, auch an seinen Lasten teilhaben. Man darf sich nicht auf den Standpunkt stellen, daß, während die einen kämpfen und ihr Leben einsetzen, die anderen das Recht haben, Frieden zu spielen.

Selbstverständlich wird niemandem aus lauter Willkür eine Last aufgebürdet, die er nicht zu tragen braucht. Aber wenn wir zu Hause eine Verknappung der Rauchwaren hinnehmen, damit wenigstens unsere Soldaten zu rauchen haben, so wird wohl keiner etwas dagegen einwenden können, auch wenn er selbst eine Stunde anstehen muß, um sich ein paar Zigaretten zu kaufen. Gewiß ist es schwer für eine Mutter, ihren Sohn ins Feld ziehen zu lassen. Aber was soll erst jene Frau sagen, die im Weltkrieg ihren Mann und vier Söhne verloren hat und jetzt in den Kämpfen im Osten noch ihren fünften und letzten Sohn hergeben mußte? Es ist kein

Vergnügen, nachts drei Stunden im Luftschutzkeller zu sitzen und zwei Stunden später müde und unausgeschlafen an die Arbeit zu gehen. Wir kennen jedoch eine Mutter, die bei einem Bombenan­griff ihr Haus und ihre beiden einzigen Kinder verlor und ein paar Tage später die Nachricht erhielt, daß ihr Mann im Osten gefallen sei. Die bringt ein Opfer, ein hartes, grausames Opfer, das aber auch ertragen werden muß und auch ertragen wird.

Gewisse Leute, und zwar gerade die, die vom Krieg nur wenig berührt werden, haben es sich angewöhnt, sich selbst und ihre kleinen und oft nur nichtigen Alltagssorgen allzu wichtig zu nehmen. Es gibt welche unter uns, die, wenn ihr Friseur eingezogen wird und sie sich nach einem neuen Haarkünstler umsehen müssen, am liebsten gleich ein Klagelied anstimmen. Daß die Eisenbahn zu Weihnachten Kartoffeln, Kohle und Gemüse für die Heimat und Waffen, Munition, Wollsachen und Lebensmittel für die Front transportiert, deshalb auch keine Zeit hat. Vergnügungsreisende nach Oberhof oder nach Garmisch zu fahren, das ist für sie Gegen­stand stundenlanger erregter Erörterungen. Sie tuen so, als ginge sie der Krieg kaum etwas an, als hätten sie ein Anrecht darauf, von ihm verschont zu bleiben, als wären die Soldaten sozusagen dafür angestellt, ihn zu gewinnen, und sie sozusagen dazu ausersehen, später einmal Nutznießer ihrer Siege zu sein. Es darf keine ver­wöhnten jungen Haustöchter geben, die ihren Tag mit Nichtstuen verbringen, während in einem Berliner Lazarett eine Kranken­schwester von morgens 7 Uhr bis abends 8 Uhr Schwerverwundete pflegt und sich dann bis nachts um l Uhr noch ihrem Haushalt und ihren drei Kindern widmen muß.

Die hätte Grund, zu klagen oder ungemütlich zu werden, aber sie tut es nicht; im Gegenteil, mit stets gleichbleibender Freundlich­keit, Sanftmut und Hilfsbereitschaft erfüllt sie ihre Pflicht, ist über­glücklich, wenn man ihr nach einjähriger anstrengender Arbeit zu Weihnachten eine Kinokarte schenkt, und findet nicht ein Wort

des Einspruchs, wenn sie, eben fertig zum Kinobesuch angezogen, Befehl erhält, sich für eine schwere Operation bereitzumachen. Eine junge Frau verliert ihren Mann als Fliegeroffizier in Spanien. Nach Überwindung ihres Schmerzes über diesen Verlust heiratet sie ein zweites Mal einen Fliegeroffizier und verliert ihn nun nach kurzer Ehe in diesem Kriege; und schreibt dann einen Brief, bei dessen Lektüre einem die Tränen vor Rührung und Stolz in die Augen treten und man fühlt, wie sich das ganze Herz mit Hoch­achtung und Bewunderung für das unpathetische, seelische Hel­dentum einer deutschen Frau erfüllt.

Als unsere Truppen im September 1939 nach Polen einmar­schierten, fanden sie 60.000 Volksdeutsche ermordet vor. Tausende Hinterbliebene hatten dabei ihre Eltern und alle Geschwister ver­loren. Hunderten von Eltern wurden ihre Kinder vor ihren Augen erschossen oder erschlagen. Eine alte Mutter mußte zuschauen, wie ihren beiden einzigen Söhnen die Augen ausgestochen wurden;

ihr Mann wurde verschleppt und kehrte niemals wieder. Die da übrigblieben, leben heute noch. Sie tragen ihr Leid für sich; es ist untergegangen im Strom der Ereignisse. Manchmal erhält man einen Brief, in dem ein also Geschlagener mit tausend Entschuldi­gungen und ganz bescheiden anfragt, ob man ihm wohl ein Buch oder ein Bild des Führers oder, wenn es ganz hoch geht, einen kleinen Volksempfänger für sein Lager schicken könne; aber wenn unsere Soldaten das dringender brauchten, dann solle man den Brief als ungeschrieben ansehen. Antwort sei nicht nötig, aber lange die Zeit dazu, dann liege Rückporto bei, und hoffentlich gehe es dem Führer gut, daß ihm nur nichts passiere; und man glaube an seinen Sieg und baue Berge auf diesen Glauben.

Meldet sich noch einer, der sich beklagen möchte, weil abends bei Luftgefahr der Deutschlandsender abstellt und er sich der wirklich kaum zumutbaren Mühe unterziehen muß, eine andere deutsche Welle zu suchen? Ist noch einer da, der unwirsch den

Buchladen verläßt, weil er nicht sein ganzes überflüssiges Geld in Büchern anlegen kann, der nur mißmutig seine Zeitung liest, weil sie sich wegen Papierknappheit auf vier Seiten beschränken muß, der knurrt, weil die U-Bahn oder die Straßenbahn überfüllt ist, am Weihnachtsfest keinen Spaß mehr hat, weil die Kerzen am Tannenbaum fehlen, zu Silvester übel nimmt, daß er sich keine rote Nase vorbinden und kein Papierhütchen aufsetzen kann?

In Berlin gibt es ein Lazarett mit über hundert Kriegsblinden» meistens jungen Männern zwischen 18 und 24 Jahren. Wir haben jedem von ihnen einen Rundfunkempfänger in sein Zimmer gestellt, und alle freuten sich wie die Kinder. Kaum waren sie wieder halb­wegs auf den Beinen, da fingen sie auch schon wieder zu leben an. Sie begannen sich umzuschulen, um einen neuen Beruf ergreifen zu können. Einer hatte außer dem Verlust seines Augenlichts noch seinen ganzen linken Arm und die halben Finger an seiner rechten Hand verloren. Mit dem Stumpf dieser Hand lernt er Schreib­maschine schreiben. Alle erklären das anfangs für unmöglich, aber mit eiserner Energie schafft er es. Ihr irrt, wenn ihr glaubt, daß in diesem Lazarett Trübsinn und Weltschmerz zu Hause wären. Nirgendwo in Deutschland herrscht so viel Glaube an den Sieg, so viel Vertrauen auf den Führer, nirgendwo werden unsere OKW.-Berichte so gespannt erwartet, nirgendwo wird weniger geklagt und wird mehr Haltung bewahrt als hier.

Ist es zuviel verlangt, wenn ich fordere, daß wir alle etwas vor­sichtiger und pietätvoller mit dem Wort Opfer umgehen ? Was sollen die dann erst sagen! Es ist kein Opfer, wenn einer zwanzig Pfennige für das Winterhilfswerk gibt, wenn es zugleich auch nur ein Opfer sein soll, wenn ein anderer dem Vaterlande sein Augenlicht schenkt. Wir zu Hause haben keinen Grund, unsere Lasten zu dramatisieren, sondern nur alle Veranlassung, sie mit Stolz und Würde zu tragen und Respekt und Ehrfurcht vor denen zu haben, die der Nation wirkliche Opfer bringen. Der Krieg ist eine Gemeinschaftsleistung

von Front und Heimat; aber nicht beide leisten zu gleichen Teilen. Darum kann die Heimat sich der Front gegenüber nur durch er­höhtes Pflichtgefühl und ständige Pflichtbereitschaft behaupten. Die Einschränkungen, die sie auf sich nimmt, sind notwendig und werden deshalb auch ertragen. Wenn einer überhaupt das Recht hat, sich mehr zu dünken als die anderen, auch im Bringen von Opfern, dann nur der Soldat. Aber er tut es nicht, eben weil er Soldat ist.


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